Lyrik

ERSTER HALT

Der Ring des Patriarchen und ein Herz aus Konfetti
Ich hieve mich in die Gepäckablage des Zug um Zuges
um den ich so lange gerungen habe
Da kauer ich und warte auf einen neuen Winkel
Landschaften streifen vorbei, mein Herz übt Samba
Unter meinem weichen Flaum lösen sich die Sitzbänke auf,
zerfallen in stählerne, hölzerne und lederne Anteile und
ich soll wechseln von Schrottplatz zu Wildvogelzüchter-Trickvorführungs-Scheuklappen zu Postkarte „urwüchsiger-Baum-am-Felshang“
Soll Eule, Habicht und Bussard mit meinen Schwingen das Signal
meinen Schnabel an den Gleisen
bis Funken sprühen und überspringen
Mich rührt nichts mir dünkt
nach Dir fehlt nichts geht mehr
Halt auf offener Strecke ich
warte und rühre mich
rühre mich nicht

Die feinen Krallen entspannt ächzt rattert quietscht der Boden, die Wand
Mich rührt nichts mir dünkt
Der Ring des Patriarchen funkelt Trost flüstert Ausgleich
Mein Herz stockt und schmerzt mein Herz bröckelt und vervielteilt sich
Das Konfetti stockt mir in der Brust stockt mir im Hemd stockt im Terminkalender
quillt an die Zugdecke presst Richtung eisernen Boden drängt an die Fugen und Fenster. Da kauer ich und warte auf einen neuen Winkel. Kein Revier, kein Streit
In der Kehle kein Gurren, kein Maulen, kein Rufen

„Fahrkartenkontrolle, Zugestiegen bitte!“

Ich vogelgreife bleiern in Tasche und Hautfalte, drücke meine beteerfederten Krallen durch die Konfettimasse, recke der Kontrolle ungesehen meine Fahrberechtigung entgegen. Vernehme das Knipsen des Zugbegleitungsstempels, das amtliche „Dankeschön“, ein Einklemmen-androhendes-Unterdruckgeräusch beim Schließen der Schiebetür. Winde Karte zurück angerissen zurück in Tasche Krallen zurück ins Kauern zurück

( Berlin, den 18.05.2020, Kraahfiti )

KATAPULT

Unter mir endlose Schluchten und Gefälle, Sprengteile sinken tonlos dem umgestülpten Gleisbett und entgleisten Gefährt entgegen, zurück zu schwarzer Anballung von Rauch.
Ich möchte so gerne diese Welt mit einem wütenden, schmerzvollen Weißglut-Reißbach fluten! Oder ein letztes Mal -aber nur äußerst ungern und auch nur genau dann wenn es fruchtet- geduldig gießen zu Wachstumszwecken.
Aber nein. Nur etwas Trockeneis findet seinen letztmöglichen Weg als getipptes Zusammengefasstes, als Schüsse, Schlüsse und Schlussstriche aus der Schaltzentrale im Schattenbahnhof.
Möchte so gern meine Schwingen zwischen Schwarz und Weiß aufspannen…
Doch bislang bleibe ich Kanonenfutter meiner Selbst, immer höher immer weiter, durch Wolken und Nebelteppiche hindurch katapultiert. Ich mutmaße: mein Herz macht mehr als einen Satz.

( Berlin, den 07.06.2020, Kraahfiti )

NOTBLÜTE

Unsanft pralle ich gegen eine Fläche, mitten aus dem Freiflug, mit vollem Karacho.
Gleite an Härte und Kälte ab, schlitter, knalle mit Flügel an Grau, Schnabel schlägt Funken, ich schreckschreie, ich erbose und falle, falle. Fetzen meiner entrüstet aufgerissenen Augen stolpern in meinen Sehnerv, aus Wolkenteppich ist Spiegelsaal geworden.
Mir wird schlecht. Mir schwindelt. Ich sehe alt aus.
Ich glaube: das ist mein Ende…

Das Neugeborene weiss: der Vater ist eine Lok, die Mutter stürmisch und längst über alle Berge- und mehr muss es -Tatsache!- auch nicht wissen. Es ist mehr als zufrieden, überhaupt ist es warm und erstaunlich trocken nach all den archenoahfreien Fluten. Surrend und unbekümmert trötend segelt es in großen Bögen zur Erde.
So lässt s sich s leben! Es lol-t, winkt den Ahnen-unbekannterweise und ohne gebührenden Respekt versteht sich. Lol-t erneut- gähnt und streckt und rappel sich auf in einer weichen Landung. Der Himmel weint und dem Vogeljungen kullert ein glucksender Rülpser abschließend aus dem Bauch.
„Du hast hier nichts verloren, kleiner Unhold. Verschwinde!“poltert eine Stimme in Orangebraun ungeschliffen. Gut gebrüllt, Löwe, kombiniert das Kleine schneller als der gutmütterliche Blitz.
Und kontert sogleich: „Das ist mir egal, ich bin ein Baby, Du musst mich liebhaben“.
„Fass meine Mähne nicht an, das ist gefährlich!“ fauchst Du erschrocken in Deine Schnurrharre.
„Bitte? Hör mal, ich konnte mir nur ein Wort merken: Waaw-Waaw ( das heißt: „Ja“ ). Alles andere muss ich noch lernen, weißt Du? Ich habe Hunger, gib mir Futter!“ sperrt es sein Schnäbelchen weit auf bis es vor Anstrengung zittert, augenblicklich ganz verausgabt gähnt, wie selbstverständlich zu besagter Mähne wankt-sie schimmert jetzt nahezu gülden!-und sich flink und gründlich in sie einflicht. Dann verfällt es schon bei der letzten um die Kurve gelegten Krause postwendend in einen tiefen Schlaf -es macht wirklich ausgesprochen viel Arbeit einen Löwen zu krönen!
„Brrrphs!“, knurrst Du überwältigt. „Loo wax ngane?“
Was soviel heißt wie: Was sagst Du?

( Berlin, den 10.07.2020, Kraahfiti )

VERWACHSEN

„Salon der Schlichtheit“ betonst Du.
„Ja, vielleicht“ erwidere ich.
„Ich möchte nichts mehr dazu sagen“ sagst Du.
„Hmm“ meine ich.

Wir tasten weiter die Schienen ab, immer dem Geruch von Glut und den Schmauchspuren hinterher.
Unsere Sicht wird zunehmens von einem gräulichen Schleier durchzogen.
Neonröhren, was ist das, denke ich benommen und lege meine Hände um das Stück Schiene unter mir. Ich möchte mich niederlegen, mich an das Eisen schmiegen. Du wirfst mir einen strengen Blick zu, dein Löwenschweif legt sich um meine Hüfte und bringt mich zurück in die Aufrichtung. Mit diesem Nachdruck verliert sich mein Wunsch zu liegen im abfallenden Tal vor uns. Dort, nickst Du, mit Deinem Kinn Richtung verschwimmender Konturen. Mir ist als balanciere, schwanke, tanze ich, als verlöre ich Federn, welche von den großen, den Schwungfedern. Aber Flaum, der wärmende, umschließt sicher noch meinen Bauch.
Verlangsamt aber stetig tasten wir uns weiter voran, immer weiter weiter. Dicht über dem Boden wiegen sich dünne Töne, zwischen Pfeifen und singendem Ziehen, hell, kopftönig. Mein Wadenbein wird davon mit Gänsehaut übersäht.
Die linke der Schienen bäumt sich in Zeitlupe auf, sattelt mich auf sich und ich drehe in ebensolcher Zeitlupe den Kopf zu Dir, meine Augen sagen etwas wie: „Komm mit, wir sind nicht zu trennen. Sonst muss ich Dich suchen“. Aber Du blickst mir nur unverwandt wie eingepackt nach, ein warmer Blick, doch keiner deiner Muskeln regt sich. Ich denke: Ich muss mich fürchten!, aber bleibe in dieser dicken, süßen Luft der Einfachheit halber doch friedlich. Alles andere wär ein Zuviel des Kraftaufwandes. Ich löse den Blick von Dir und beginne etwas frischen Wind an mir vorbeigleiten zu spüren, bin auf der Schiene so sicher festgesetzt, dass ich keinerlei Zugang finde zur Tatsache in schwindelerregender Höhe zu sein; eine Höhe in die ich gänzlich ohne einen Flügelschlag gelangt bin. Selbst das Sehen wird mir viel, ich schließe meine Augen und denke, das hört nicht auf, das scheint so alltäglich, aber ich muss das auskosten, ich muss mir das merken. Ich fliege ohne etwas dafür getan zu haben, was will mir das sagen?
Du Löwe steigst neben mir im nächsten Wolkenteppich auf und legst deinen Schweif behutsam um meine Schultern, wie um meine Trance nicht zu stören, wie als sei es nichts Neues für Dich auf einer Schiene durch die Winde getragen zu werden.
Ich höre auf mich, ich höre auf Dich und höre, wie sich eine wirbelnde Stabilität um uns bildet, ein Cocon aus Luft. Nicht nur um mich, nein, um uns Beide-wir können uns nicht trennen und: wir trennen uns nicht.
Ich höre wie wir im Himmel liegen.
Im Himmel liegen und nichts wissen.

( Berlin , den 27.09.2020, Kraahfiti )

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HEIMGESUCH

tiefer tiefer Wald
finster
unvorstellbar
dunkel
dunkelgrün, sagen wir schwarz
dicht, schwer behangene Äste wanken über Kuckuck, Hexenhaus und Hirsch

ich fühle mich angeschwärzt
ich passe nicht in das Dirndl
Ich trage weder schwarze noch rote Bollen
ich blattel keinen Schuh und will keinem Leder an die Hose
Pfefferkuchenrezepte würde ich auch/ erst recht für mich behalten

schwarze Wurzeln, weiße Krone, rote Wangen und Köpfe
weiße Wurzeln, schwarze Krone, rohe und rote Gedanken

mich weht es nach Haus
das Weh
das t

nach Haus zu Haus da Heim
ich suche mich Heim
reim das Gesuch das t das e

Vorderzarten
Vielerarten
Hintergarten
Vordergrund
hinten und

vor der Hüt te
nur Ver rück te

( Berlin, Sommer 2019, Kraahfiti )

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WASSERSTAND

Ich treibe liegend unter Wasser, meine Tränen, die Fruchtwasser von Welten bilden flüssige Front vor meinen Augen. Ich, Seetang ähnlich, betrachte den Himmel über mir durch die Oberfläche hindurch. Von weit oben wird die Seetang-zur Vogelperspektive und ich blicke auf Orte, Situationen und Begegnungen auf einer Landkarte von lebender Textur. Studiere meine eigene Spur, hinterlassen im Land, auf Straßen, im Gästezimmer unterm Dach, in dem ich bald gewesen sein werde, in dem Du jetzt sein könntest. Ich suche diese Spur durch Deine Augen zu sehen. Ja, das sind die Tage, die blutigen, das ist er, der Frühling. Und ja, womöglich auch das Album, das ich gerade höre, spielt eine Rolle. Aber nein, i don t do drugs. Dimensionen sind übereinander her gebrochen ganz ohne Konsum, ohne Auftrag, ohne mein direktes Einverständnis. Kann mir allerdings nichts Passenderes vorstellen als dieses Fließen, diesen Strom. Habe nichts weiter zu wünschen. Ich habe alles. Mein Herzblut, es fließt wieder. 

( Berlin, 28.03.2022, Kraahfiti )

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NULLPUNKT

Hier liege ich.
Diesmal nur Tränen, kein Fluss.
In meinem Traum heut Nacht tote Katzen, die lebendig gestreichelt werden wollten.
Zuviele Sachen um mich, zuvieles ist falsch, das geht so nicht.
Mein Herz steht buchstäblich.
Du musst gar nichts, sagts Du.
Die Frist zur Abgabe der Steuererklärung kann man verlängern, sagst Du.
Koch Dir was Leckeres, sagst Du.
Ich lasse Kummer für mich singen. Ich lobe Kummer, kommentiere Kummer.
Ich liebe Kummer…
Mit ihm ist alles besser, auch wenn nichts gut wird.
Auch das ist mein Herz.
Wildkatzen lassen sich eben nicht blicken, wenn sie gerufen werden.
Ich koche nicht.
Ich bleibe liegen und lasse meinen Magen knurren.

( Berlin, 13.05.2022, Kraahfiti )

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AUSFÜHRLICH I

Ich wurde gebeten, etwas zu meiner Aussage letzten Dienstag hinzuzufügen.
Etwas Kraftvolles, etwas an der die Veränderung erkannt werden kann, zur Gewissheit wird. Ich habe lange nachgedacht wie ich mich veräußern kann.
Wie ich meiner Begeisterung, meiner Leidenschaft Nachdruck verleihen kann.
Es bleibt dabei: es wird Euch nichts anderes übrig bleiben!
Die Schildkröte ist im Schlamm, das Walroß in der Suppe, ich bin entfloht-
so einfach bleibt das.
Wer den Zug verpasst, wird keinen Nachtisch mehr abbekommen.
Ich habe die Gummistiefel bereits übergestreift und werde diesen Prozess nicht künstlich wiederholen.

AUSFÜHRLICH II

Ich wurde gebeten, etwas zu meiner Aussage letzten Dienstag hinzuzufügen.
Ewtas Kraftvolles, etwas, was die Glaubwürdigkeit steigert.
Leute, ihr habt die grüne Grütze gelötet:
auf Schnapsdrosseln wie Euch bin ich gekrümmt!
Gönnt mir ne Pause, ich habe meine Koffer schon verschiffen lassen.
Grüßt mir das Höchste.

( Travancinha, 24.10.2013/ „Ich habe gekritzelt“ )

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JUWELEN STEHLEN

Ich schleiche mich in den Saal, um die Ecke,
dahin wo der Schatten günstig fällt.
So kann mich Niemand sehen, so kann ich mich auch nicht im Spiegel meiner Selbst vergewissern.
Jetzt kann ich unbemerkt tanzen.

( Berlin, 25.01.2022, Kraahfiti )

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DIE GEISTER, DIE ICH RIEF

versammeln sich um mich
wärmen mir den Rücken
streichen mir durchs Haar
kitzeln mir die Flanke
klopfen auf die Schultern und
es sind schon ein paar!
ich nehm kaum mehr wahr
wie ein Geist dem andern folgt und
sich um meine Gunst nur so tollt
die Geister, die ich rief
feiern die Feste
wie sie zu gefallen pflegen

die Geister, die ich rief
bleiben plötzlich leise und stehen um mich im Kreise
die Geister die ich rief
fangen an mich zu lieben

ich ruf sie zur Ordnung
ich ruf sie auf ihre Posten
ich rufe sie auf und an

die Geister die ich rief
fangen langsam an

Geister der Vielfalt
Geister des Untergangs
Geister des Umfangs
Geister der Rebellion
Geister der Niederlage
Geister der Waage
Geister des Umsturzes
Geister der Abkürzung
Geister der Wildnis und
Geister des wackelnden Kopfes

-Geduldet Euch!

( Berlin, vor 2013/ „Präportugal“ )

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SCHLEPPTAU

Du schaust mich aus Deiner Neubau-zahlbar-und-sauber-Fassade heraus an wie von nah.
Deine ungelenken Bewegungen muten mehr wie ein Kontrollverlust denn eine Befreiung an und passen so gar nicht zu Deiner Altersangabe. Deine Muskeln schmelzen unter meinen Augen und ich laser durch Sehnen und Bänder weiter hindurch bis zu Deinem-vorerst Deinem aktuellen Gedankengut. Meine Augenlider gewinnen an Schwere, ich konzentriere mich.
Vor mir eine rote, pulsierende Landschaft, flüssiges Gold und Gummitiere. Es könnte ein Krokodil, ein Löwe oder eine Ente hier hindurch schippern, stattdessen stoße ich auf kleine Explosionen imitierende Wolken, sehr glibberig und glitterig das Ganze. Ich schüttle unwillkürlich und irritiert  meinen Kopf. Ich löse die Kante meines Schuhs zähschleimziehend ab, lehne mich wellnessbestuhlt in Wolken von glitzernder Pappsüße, Masse gleitet erstmal an mir ab.
Gut gewärmt von unten, Rücken, Po, Schenkel, Waden glühen an, blühen auf, aber meine Front scheint gleichzeitig geradezu auszukühlen. Ich blicke verwirrt in sengende Leere über mir, weiß, kalt und schließe dieses Mal zum Schutz meine Augen, dieses Mal zum Schutz eben, nicht zur Konzentration. Alle Bequemlichkeit sehr abrupt verronnen. Ich drücke meine Ferse in die Masse, suche mich aufzurichten.
Dieser Eindruck reicht mir, ich möchte rauß. Masse legt Gewicht auf meine Schultern, meine Arme, meine Hände Fäustlingen gleich eingebunden in eine Absurdität von Trägheit.
Ein Herz erobern ist mühsam, vielleicht sogar tödlich, schlimmstenfalls völlig sinnentleert.

Ich sehne mich zurück zum wachhaltenden, blauen Licht meines federleichten Computers, zurück in suchendes Verlorensein in einem visuellen Netz, zurück in Eigenverantwortung und Ödnis. Doch Amors Pfeil hat mich erwählt und ich suche vergeblich nach einem Funken einer Begeisterung, Exstase oder Hingabe, die mein zu nennen wäre. Aber ich wurde einfach nur getroffen.

( Berlin, den 25.01.2022 )

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EIN STÜCK LAND

Ein Stück Land könnte die Lösung sein
könnte es- ist es nur leider nicht zwingend
Zwang wäre in diesem Falle ganz gut
Aber Zwang lässt sich nicht auf Fälle festlegen
also bleibt die Frage
ob es das Land ist oder
der Fall der Fälle
Das könnte mir gefallen
wenn es so einfach würde
also im Falle dessen
wäre ich froh

( Tranvancinha, 13.11.2013/ „Ich habe gekritzelt“ )

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RIEN NE VAS PLUS

ich möchte anders gehen
ich möchte gehen, mir etwas Sternenstaub zurück zu holen
ich hebe einen fuß an, in einem rechten winkel für eine weile

einmal zur halluzinellen und zurück
ich sehe sternchen und mir wird ein wenig schwindelig und schlecht

ich probiere etwas leichteres
ein schwingen aus der hüfte
die hüfte ist durchlässig
meine beine machen kleine kreise und ich denke,
dass unendlichkeit nur geht, wenn es auch immer näher und kleiner werden kann
ich mache also noch kleinere kreise
so kleine kreise bis ich zum sogenannten stehen komme

nichts neues für euch
aber ich forsche noch

( Berlin, um 2013/ „Präportugal“ )

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KÄSE

Schneesturm ist Käse daneben.
Ich habe das von Anfang an gesagt.
Es ist schwer, einer einfachen Wahrheit so blind zu vertrauen, ich weiß.
Und doch habe ich mehr Vertrauen, mehr Loyalität von Euch erwartet,
Euch zugetraut.
Ihr müsstet mich doch allmählich kennen, nach all den Jahren.
Hier ist Ende, habe ich gesagt. Der weiße Wolf kotzt.
All das hab ich gesagt, mindestens viermal, erst gestern.

( Travancinha, 24.10.2013/ „Ich habe gekritzelt“ )

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DER TOD WILL NICHT MEHR

Der Tod braucht mal Pause
Der Tod will nicht mehr
Der Tod weiß nicht weiter
Der Tod kann nicht mehr

Tod möchte Urlaub
Tod will ans Meer
Tod möchte weinen
Tod will nicht mehr

Tod hat versagt
Tod ist gescheitert
Tod fühlt sich leer
Tod will Begleiter
Tod braucht ne Leiter
Tod tötet nicht mehr

Tod will nicht klagen
will nichts mehr sagen
Tod mag nicht mehr

( Berlin, 01.09.2014/ „Postportugal“ )

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SONNTAGSASPHALT

Himmlische Ausschüttung über freiem Feld nah.
Ich ziehe zweimal mein Gesicht unter Wolken aus und
meine Füße lieben den Grund.

( Berlin, 31.07.2016/ „Postportugal“ )

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FLICK FLACK- SCHACH MATT

Cedrik, kehr dick, scher Dich
Komm her, mach Pierre, Teer
leer, mehr, der Fairkehr
Cedrik, sei schick und flick
Tick Click Trick Ick
e ke te me dä wä gä
Cedrik, schick, Flick Flack
pick pack, meine kleine Farm
ohne jeden Charme und Harm
Cedrik, tick tack, Zeit knapp
pappsatt, Schach matt- Fuck!

( Rijeka, 04.06.2018/ Kraahfiti )

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GAZELLE

Hineinklettern mag ich
nicht nur in Deinen Kopf
auch in Deinen eingeklemmten Bruskorb und
Deine gespitzten Lippen.
Diese katerartige Nonchalance
würd ich so nie hinkriegen.
Schön find ich das.
Mich auf eine Schulter setzen, besser in Deinen dichten Haarschopf
alleine schon wegen der Geschwindigkeit beim Rennradfahren.
Aus dem Kater wird eine Gazelle.
Ein bisschen Tierreich mit Dir, das wär schon was.

( Travancinha, 09.11.2013/ „Ich habe gekritzelt“ )

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ANSEHEN I

„Ziegenstündchen“,Oktober 2010, Vogesen.
Idee und Umsetzung: Brigitte Kießling
Schnitt: Katrin Memmer

ANSEHEN II

Sieh mich an!

Mal eben
in die Iris blicken
oder vorerst dahin,
wo die Tränen herkommen.
Eintauchen in den Winkel,
den toten.
Umgeben von der einen oder anderen Schönheit,
diesem und jenem Extrem, ja, Luxus!
Hier ist es schön, gerade ist gut-
für so und so lange,
wenn das und das mitspielt-
und sei es auch nicht das Wetter!
Mit dem Licht spielen geht sofort, immer, ist einfach-
und manchmal auch genug.
Dabei erkannt zu werden-
nahezu ausgeschlossen.

Ich mache meine Augen auf.

( Berlin, 09.10.2011/ „Präportugal“ )

Foto: Selbstauslöser


VERGEUDUNG

Mittig der Rückzug am Rauschen für bare Münze und baren Fuß.
Gezwickt und geklemmt zwischen Holz, auf Körper -und Unkörperinsel, vom Vorgänger kurz vor Absturz hingeschlampt. Reifen im Rauschen und wir. Du ziehst das freie Sitzen und Ruhen dem Retten der Reste vor. Salat, Suppe und Souflet rücken in unseren Mägen näher zusammen. Die Seite der umgeblätterten Zeitung bewegt uns Drei nicht mehr…im Untergeschoss bleibt das Verlassen zurück und mit ihm: ein Platz für Kunst und freies Spiel. Schade drum. Kein weiterer Besuch des Schattenbahnhofs, der Schaltzentrale nicht, keine Motive nicht, auch ich nicht, jetzt nicht mehr, nein.

( Dresden, Juli 2020, Kraahfiti )

VULKANBEFAHRUNGEN
oder „Substanz zwischen Numyphe und Grenzturm“

Ein Murmeln aus den/ Vermutungen über die Höhlen.
Und die Schnellstrasse sitzt dem Wind auf

Murmeln/ Vermutetes
ruht unter Füßen.
Einer möchte zurückbleiben, über den Füßen ruhen.
Alle Anderen kriechen Kopf voraus hinein
vielleicht frei sicher dunkel sicher kühl
Glitzern und Raunen
von Platzangst die Rede
Glitzern und Raunen.

Ein Konzert wär nun schön, sag ich.

Raum aus Stein Fundament aus Sand Leben ein Klacks
Gedanken fliegen und sind zurück in Bruchteilen.
Die Verheißungsvollen sitzen dann zusammen mit den Vermaledeiten
Vermaledeite und Verheißungsvolle zündeln am Campingkocher, ruckeln an Weinkorken. Zerwürfnis am halben Körnchen Wahrheit und
Verführerisches: an den Herd.

So soll das so muss das
können nicht alle
bleiben zurück
nicht Höhle nicht Gipfel nicht Fels oder Wand
nur Raum aus Vorwand

Deckel auf Topf
Gedanke in Kopf
Fleisch an den Staubsauger
Kraft an den Fels
Träne ins Tage-, Schwierigkeit ins Gipfelbuch

Mein vermaledeiter Vulkan setzt sich in Bewegung.
Von den Augen und Ohren schuppt es zu den Haaren
auf die Zähne, löst die Zunge. Und die Autobahn setzt dem Wind auf.

Verheißungsvolle und Vermaledeite trinken, lachen.
Verheißungsvolle und Vermaledeite liegen, ruhen endlich.
Ich zieh ein drittes Mal mein Gesicht unter Felsen aus.

Erkaltete Lava bezeugt Querverbindungen an meinem Morgen.
Die Wände biegen wälzen kontern schieben spalten drücken fallen und bäumen sich auf.
Materie in Zeit, Zeit in Materie, Raum aus Stein über Raum aus Stein,
wir so klein/ unfassbar klein.
Und die Schnellstrasse sitzt dem Wind auf.

Die Anderen schließen sich allmählich dem Wachwerden an.
Wälzen, gähnen, Kopf zurück in Schlafsack, zurück unter die Decke unter der Decke der Höhle unter der Decke des Himmels auf Erden zurück zu Schlaf und Smartphone ohne Empfang. Wollen noch nicht hören, nicht reden, nicht aufstehen.

Ein Konzert will ich, sag ich.

( Berlin, den 26.10.2019/ Kraahfiti )